Durch ihre Zweckgebundenheit können uns Gebrauchsgegenstände viel von dem Alltag und dem Leben, für das sie geschaffen wurden, erzählen. Das ist bei allen Alltagsgegenständen so, egal welchen Materials. Also etwa bei Metallgeschirren, Porzellane, Steingut, Bestecke, Möbeln, Holzgegenständen, Leder, Stoffen und Kleidung. Im Grunde all jene Dinge, die als „Kunstgewerbe“ in den Museen gesammelt und ausgestellt werden.
Der besondere Reiz bei Gebrauchsobjekten aus Glas liegt in ihrer mehrfachen Gefährdung aufgrund seiner Zerbrechlichkeit – bei Herstellung, Transport und Handhabung. All das fordert dem Nutzer – damals wie heute – eine zusätzliche Vorsicht ab. Jeder Fehler rächt sich nachhaltig und unwiederbringlich.
Prächtige Glasobjekte, die als reine Schaustücke in Form von Schalen und Vasen gefertigt worden sind, waren seit jeher als besonders kostbar und galten damit als sammelwürdig.
Teuer in der Anschaffung, standen sie schon immer in Prunkräumen, auf Podesten, Kaminsimsen oder in Vitrinen. Erst beim König, dann beim Adel, später im Bürgertum, heute bei Kunstliebhabern.
Neben dieser Art von Zierglas, das - wie Porzellan - in seinen Anfängen zum Imponiergehabe einiger weniger gehörte, gab es aber auch immer schon Glas, das zum Trinken angefertigt worden war und somit einen Zweck zu erfüllen hatte.
Glasherstellung war, vergleichbar der Porzellankunst, technisch sehr anspruchsvoll. Daher war sie schon immer auf wenige Hütten beschränkt und an eine spezielle Erlaubnis durch den Landesherrn gebunden, sogenannte „Privilegien“. Parallel zu dem politischen Flickenteppich gab es auf deutschem Boden zahlreiche kleine Produktionsstätten, die das sogenannte „Waldglas“ produzierten. Als dafür wichtige Regionen wären der Schwarzwald, Spessart und Brandenburg zu nennen.
Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Herstellung von Trinkgläsern in einigen Glashütten zunehmend zentralisiert und man begann mit einer industriellen Massenproduktion. Als wichtigste Zentren kristallisierten sich etwa im deutsch-österreichischen Raum der Bayrische Wald, Thüringen, die Lausitz, Böhmen und Schlesien heraus; im Westen wären die grenznahen Rheinlande sowie Paris und Elsass-Lothringen aufzuführen.
Dennoch haben die Anfälligkeit des Materials und der Zahn der Zeit die einst vielfach produzierten Alltagsgegenständen mittlerweile gravierend dezimiert. Und so ist das Gebrauchsglas mittlerweile gleich dem Zierglas selten und kostbar geworden. Sie werden vielfach – entgegen ihrem Ursprung - zu raren, oftmals einzigartigen Designobjekten geadelt.
Bezahlbare Endprodukte setzten aber ein vereinfachte oder serielle Fabrikation voraus und schlossen aufwendige Dekorationstechniken aus. Im Bereich des anspruchsvollen Gebrauchsglases wurde somit der der Herstellung vorausgehende Formentwurf immer wichtiger.
Es ist allerdings anzumerken, dass die heute für ihre Objets d'art gerühmten Glasfabriken tatsächlich ihr Geld mit dem Gebrauchsglas verdienten; das Luxusglas war nicht nur für die Kundschaft kostspielig, sondern auch für den Hersteller zumeist ein Zuschussbetrieb.
Bei Lötz belief sich der Produktionsanteil von Schalen und Vasen schätzungsweise bei maximal 20 %, die verbleibenden 80 % bildete das Gebrauchsglas - etwa Trinkglas und Lampen. Heutiger Kenntnisstand und bevorzugtes Interesse stellen sich allerdings genau entgegengesetzt dar.
Bei Gebrauchsgläsern, vor allem bei den Trinkgläsern, wurde das Glas um 1900 als Material wegen seiner Durchsichtigkeit und hygienischen Eigenschaften geschätzt. „Man will Speise und Trank nur aus sehr leicht zu säuberndem Material genießen. Dazu gehört aber Metall nicht. Der silberne Tafelschmuck musste ersetzt werden, und zwar durch ein echtes Grundmaterial, das gleich leicht formbar ist, das sich leicht reinigen lässt, ästhetisch und appetitlich anzuschauen, so hohe Pracht- und Kunstentfaltung gestattet wie Edelmetall. Alle diese Ansprüche erfüllt das Kristall.“
Wenn um 1900 das Tafelkristall wieder neu geschätzt wurde, so heißt das nicht, dass die Tafelkultur zuvor ohne Kristallgläser ausgekommen wäre, im Gegenteil. Das Tafelkristall hatte nie seine wohlhabenden Bewunderer verloren.
Vielmehr sollte der Blick auf zwei damals hoch aktuelle - und heute vielleicht vergessene - Gesichtspunkte in der Bedeutung gelenkt werden, die das Material Glas für den damaligen Betrachter hatte: Es geht zum einen um die Funktionalität, beziehungsweise die idealen hygienischen Eigenschaften von Glas; sowie zum anderen um den durchaus preiswerten Rohstoff Glas, der - sofern rationell gefertigt - bezahlbare Tafelgläser auch für den einfacheren Haushalt ermöglichte.
Diese zwei Aspekte tauchen immer wieder in der zeitgenössischen Kritik auf, wenn auch zuweilen unter anderen Schlagwörtern, wie etwa: Materialgerechtigkeit und zweckentsprechende Formen - wobei hier unter Zweck sowohl die praktische Handhabung gemeint ist, wie die Tauglichkeit einer Form für eine serielle Herstellung.
Zwar waren dies bereits die Forderungen des 19. Jahrhunderts, doch die kontinuierliche Entwicklung der Maschine und die sozialen Veränderungen trieben die Formfrage immer weiter voran.
© Dr. Warthorst, Konstanz. Alle Rechte vorbehalten.
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